Amazonas

von Alfred Döblin

Regie Trace Müller und Ensemble | Ausstattung Maria Moser |  Regieassistenz Lea Rump | Mit Darja Mahotkin, Benjamin Kühni und Paulo de Queiroz | Fotos Meyer Originals |

Dauer 2.10 ohne Pause | Koproduktion der Universität Mozarteum Salzburg und des Theater im Bauturm | Premiere 02. November 2018 | Dernière 23. Juni 2019

Produktionsplakat Amazonas

Eigentlich sucht Alfred Döblin die Pariser Nationalbibliothek auf, um Kierkegaard-Studien zu betreiben, doch dann bleibt seine Aufmerksamkeit an einem alten Atlas hängen. Fasziniert von den ethnographischen Karten des Amazonasgebiets beginnt er eine monatelange Recherche, die zur Basis für eines der kühnsten Projekte in der Literatur des 20. Jahrhunderts wird: die Romantrilogie Amazonas, verfasst zwischen 1935 und 1937. Ein abseitigeres Thema dürfte in der deutschen Exilliteratur auf den ersten Blick kaum zu finden sein: Döblin erzählt die Geschichte des Urwalds und seiner indigenen Bevölkerung, beschreibt Tiere, Rituale und animistisches Denken und webt gleichzeitig die mythische Utopie eines matriarchalen Amazonenstaats in den Bericht ein. Schon bald jedoch schildert der Text den Einbruch Europas in Form der Eroberung des Amazonas-Gebiets durch die spanischen Entdecker der Conquista. Sein letzter Teil lenkt dann schließlich unter dem bezeichnenden Titel Der neue Urwald den Blick auf das Europa der 1930er Jahre, aus dem heraus die Verfolgten des Dritten Reichs nach Südamerika fliehen. Auf den knapp 1000 Seiten der Romantrilogie entfaltet sich ein erstaunliches Bild: Voll kritischem Bewusstsein für Widersprüchlichkeit und Brutalität der Kolonialisierung und mit differenziertem Blick für die Heterogenität indigener Kulturen erschafft Döblin ein einzigartiges weltgeschichtliches und ökologisches Panorama. In ihm klingt ein Thema an, das erst Jahrzehnte später in den Fokus der Literatur gerät und auch heute noch längst nicht zu Ende diskutiert ist: die Verantwortlichkeit Europas für Prozesse globalen Strukturwandels, die die Zerstörung der Natur und die Ausbeutung ganzer Bevölkerungsgruppen mutwillig in Kauf nehmen.

Trace Müller ist Regisseurin und Musikerin. Mit dem Kollektiv MIRANDA5 realisierte sie u.a. die Arbeiten Hotel Savoy nach Joseph Roth, Sirens nach Homer und Urbi et Orbi, eine dokumentarische Arbeit zum Klimawandel. Ihre Musik war in Amelie Niermeyers Inszenierung von Branden Jacobs-Jenkins‘ Gloria am Residenztheater München zu hören. Trace Müller studierte Musikwissenschaft und Amerikanistik in Berlin und Riverside, USA und von 2015 bis 2017 Regie an der Universität Mozarteum Salzburg. Amazonas ist ihre Diplominszenierung und ihre erste Arbeit am Theater im Bauturm.