Das Theater und sein Double. Ein Ausbruch

nach Antonin Artaud

Regie Kieran Joel | Musik Koxette| Ausstattung Katharina Wilting | Video Nazgol Emami | Regieassistenz Lea Rump | Mit Bernhard Dechant |  

Premiere 20.06.2020 | Premiere zweite Projektphase 06.11.2020 | Dauer ca. 45 Minuten

Produktionsplakat Das Theater und sein Double. Ein Ausbruch

"Wenn ich Dichter oder Schauspieler bin, so nicht, um Gedichte zu schreiben oder zu deklamieren, sondern um sie zu leben. Wenn ich ein Gedicht rezitiere, so nicht, um applaudiert zu werden, sondern um zu empfinden, wie Körper von Männern und Frauen in Übereinstimmung mit dem meinen zittern und herumwirbeln." (Antonin Artaud, Brief aus Rodez, 6.10.1945)

Kein anderer Theoretiker des 20. Jahrhunderts hat mit so leidenschaftlicher Wut gegen das klassische Sprechtheater angeschrieben wie Antonin Artaud. Dass sich das Theater vom Leben entfernt und immer abstrakter wird, war für den Schauspieler, Theoretiker und Mystiker aus Marseille (1896 - 1948) schlichtweg ein Skandal. Er wünschte sich ein Theater, das vom Menschen ebenso unkontrolliert Besitz ergreift wie es infektuöse Epidemien tun: eine Naturgewalt, der man sich nicht entziehen kann und die sämtliche Körperreaktionen bestimmt. In seinem berühmten Traktat Das Theater und sein Double (1933) fasst Artaud seine Theatervision demnach in eine ebenso prägnante wie irritierende Analogie: "Das Theater ist wie die Pest - es dient dazu, gewaltige kollektive Abszesse zu entleeren."

72 Jahre nach Artauds Tod stehen sich Theater und Pandemie tatsächlich unmittelbar gegenüber. Die kurzfristige Vollbremsung durch den Lockdown hat die Umrüstung der Theaterräume zu Sicherheitszonen bedingt, die unter ständiger skeptischer Beobachtung stehen. Ein willkommener Anlass, um auf der Bühne wieder jenen Furor zu entfesseln, den sich Artaud gewünscht hat und zu fragen, was eigentlich aus der Gefahr im Theater geworden ist. Denn Artauds Programm eines zügellosen und wilden Theaters, das sein Publikum in fieberähnliche Zustände der Entrücktheit und des reinen Instinkts versetzen soll, ist das drastische Gegenteil dessen, was im von Vorsichtsmaßnahmen geprägten Bühnenraum derzeit möglich ist.

Der als fortlaufendes Projekt geplante Theaterabend wurde wegen des zweiten Lockdowns als Film weiterentwickelt: Das Theater und sein Double. Eine Projektion feierte im Januar 2021 Premiere.

Presseecho

Ein ebenso kluger wie gewagter Kommentar auf die Krise. [...] Bernhard Dechant agiert hinter Glas mit zunehmend entfesseltem Furor und entfacht dabei eine ungeheure energetische Präsenz. (Kölner Stadt-Anzeiger)

"Das Theater und sein Double. Ein Ausbruch" sind pralle 45 Minuten Selbsthinterfragung. Eine Plexiglaswand trennt das Bühnengeschehen vom Zuschauerraum. [...] Der Funke springt trotzdem unwiderstehlich über.(www.rheinerlei.de)

Wie in einem Kaleidoskop verschieben sich Bilder, Sätze und Gesten um- und übereinander. Gestern die Pest. Heute Corona. [...] All das erregt Ekel und Neugier, Entsetzen und Nachdenklichkeit. (Kölnische Rundschau)

Dechant verbeißt sich in den Text und steigert sich allmählich in Artauds mystische Beschwörung hinein. Er schleudert die Sätze heraus, spuckt und malt mit Blut Schriftzeichen an die Scheibe – eine Form der sukzessiven Verausgabung, die einer Anverwandlung von Artauds eigenem Schauspielstil gleicht. [...] Ein gelungenes kleines Theater-Experiment, dessen Reiz in seinen unauflösbaren Widersprüchen liegt. (Choices)